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Interview mit Moritz Waldstein über Plastikreduktion und nachhaltige Wirtschaftsmodelle

Veröffentlicht am 5. Sep. 20236 min Lesezeit
Moritz Waldstein, Founder und CEO von Mitte

Moritz Waldstein, Founder und CEO von Mitte

Als führender Anbieter von Green IT und überzeugter Wegbereiter für nachhaltige Geschäftsmodelle und Kreislaufwirtschaft, laden wir richtungsweisende Unternehmen und Persönlichkeiten ein, sich mit uns zum Thema Innovation und Strategien zur Nachhaltigkeit auszutauschen. Wir möchten damit der nachhaltigen Wirtschaft und klimafreundlichen Initiativen eine Stimme verleihen und nach Nachhaltigkeit strebenden Unternehmen eine Inspirationsplattform bieten. Thomas Gros (founder CEO von cirulee): Hallo Moritz, wie genau verfolgt Mitte das Ziel von Plastikreduktion in Food & Beverage (F&B)?
Moritz Waldstein (founder CEO von Mitte): Unser Ziel ist es, Einwegwasserflaschen durch eine Lösung für zuhause zu ersetzen. Denn die Produktion und der Vertrieb von Flaschen ist stark CO2- und ressourcenintensiv. Als Menschheit produzieren wir im Jahr 500 Milliarden(!) Flaschen. Monatlich ergibt das einen Berg an Plastikmüll, der höher ist als der Eiffelturm. Alleine 16 Milliarden dieser Flaschen werden in Deutschland konsumiert. Kaum vorstellbar, aber stellt man diese Flaschen übereinander auf, ergibt das 14 mal die Länge von der Erde zum Mond.
Um unser Ziel zu erreichen, haben wir einen Prozess entwickelt, den wir der Natur abgeschaut haben. Für herkömmlich in Flaschen abgepacktes Mineralwasser läuft Wasser über einen längeren Zeitraum durch Gesteinsschichten, wird dadurch gereinigt und nimmt gleichzeitig auch Mineralien auf, bevor es an die Erdoberfläche tritt und dort in Glas- oder Plastikflaschen abgefüllt wird. Unser Prozess ist bis zu 10 mal weniger CO2-intensiv - von Climate Partner geprüft und belegt. Anstatt Flaschen abzufüllen, zu transportieren und zu verkaufen, haben wir einen 3-in-1-Wasseraufbereiter für zuhause entwickelt. Hier fließt das Leitungswasser durch eine Kartusche, die das Wasser erst reinigt (mit Aktivkohle und einer hochwertigen Hohlfasermembran) und dann auch mit Mineralien wie Kalzium oder Magnesium und Bicarbonaten anreichert. So können wir nicht nur gereinigtes Wasser, sondern auch mineralisiertes Wasser anbieten. Anschließend wird das Wasser nach Belieben mit Kohlensäure versetzt. Wir haben unterschiedliche Kartuschen mit unterschiedlichen Mineralien. So wie es im Supermarkt unterschiedliche Mineralwassersorten gibt, bieten wir also verschiedene Wässer, die sich auch geschmacklich unterscheiden.
Thomas Gros: Was treibt Dich ganz persönlich an, ein solches ambitioniertes Ziel zu verfolgen?
Moritz Waldstein: Ich glaube, ganz generell findet gerade ein Umdenken in der Funktion von Unternehmen in der Gesellschaft statt. Die Idee, dass es rein um Profitmaximierung geht, hat so noch nie ganz gestimmt und wird in unserer komplexen und interdependenten Welt zunehmend noch weniger relevant.
Persönlich fand ich es schon immer spannend, nicht nur auf ökonomischen Erfolg zu optimieren, sondern sich auch Gedanken zu machen, wie mit einem Unternehmen auch gesellschaftlicher Nutzen oder ein Vorteil für die Umwelt erzielt werden kann - auf Neudeutsch die “Triple Bottom Line” (economic, ecological and social).
Dies war schon so, als ich, Coffee Circle, mein erstes Start Up, mit zwei Kollegen gegründet habe. Hier haben wir uns auch überlegt, wie wir ein erfolgreiches Geschäftsmodell mit positiven gesellschaftlichen Effekten verbinden können.
Thomas Gros: Welche Herausforderungen siehst Du für eine nachhaltige F&B Industrie?
Moritz Waldstein: Ich denke, es ist vor allem für die großen Player der Industrie (Nestle, Pepsi, Coca-Cola, Danone, etc.) sehr schwierig, ihre bestehenden Geschäftsmodelle zu ändern.
Die Getränkeindustrie ist in einem klassischen Innovationsdilemma. Sie tut sich, oft börsennotiert, schwer damit, selbst Lösungen anzubieten, die ihr kurzfristig weniger Umsatz oder Gewinne einfährt.
Denn das bestehende Modell wurde über Jahrzehnte hinweg mit viel Aufwand und Geld optimiert und geschärft und ist alleine im Bottled-Water-Markt mit 250 Milliarden USD ein hoch relevanter Umsatztreiber für diese Unternehmen. Nur leider basiert das Modell eben auf dem Vertrieb von Flaschen, die in der Herstellung und im Transport sehr ressourcenintensiv sind. Es gibt sicher löbliche Initiativen wie z.B. Recycling, oder die Verwendung von recyceltem Plastik in den Flaschen, aber das inhärente Problem, dass Getränke zentral hergestellt und unter viel CO2-Ausstoß zum Kunden gebracht werden müssen, kann damit nicht gelöst werden.
Hier ergeben sich einige Ansatzpunkte für nachhaltige Innovation wie z.B. die dezentrale Wasserproduktion von Mitte.
Thomas Gros: Welche Rolle können dabei „circular economy“ Modelle spielen?
Moritz Waldstein: Circularity ist natürlich ein breiter Oberbegriff und bedeutet etwas anderes in jedem Sektor. Aber ganz generell denke ich, dass die Circularity (also die Wiederverwendung von Input) zunehmend eine größere Rolle in unserem Wirtschaftsleben spielen wird.
Dies ist schon alleine dadurch bedingt, dass wir in einer Welt leben, in der wir uns der Endlichkeit von Ressourcen immer bewusster werden (müssen). Die Emission von CO2 hat seit nicht allzu langer Zeit einen Preis für Unternehmen und ich denke diese Tendenz wird sich noch weiter ausweiten auf unsere ganzen Lieferketten und die wichtigsten Input-Faktoren wie Plastik. Auf diese Weise wird Circularity auch zum Gewinntreiber und alleine deswegen schon eingeführt.
Zudem bietet Circularity auch Firmen mit lokaler Präsenz eine Möglichkeit zur Differenzierung zu dem Angebot von Global Playern aus anderen Regionen. Ich glaubefest daran, dass Konsumenten immer bewusster einkaufen und so auch von Kundenseite der Druck in Richtung Circularity aufgebaut wird.
Thomas Gros: Was würdest Du uns, dem circulee Team, mitgeben für den Kampf gegen Elektroschrott?
Moritz Waldstein: Ihr seid mit eurem Angebot auf jeden Fall auf dem richtigen Weg! Die Welt erstickt neben Plastikflaschen auch im Elektroschrott.
Die Wiederverwendung von Elektrogeräten macht aus Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit und aus ökonomischen Überlegungen Sinn. Ich glaube, wir sind hier auch erst am Start einer längeren Reise. Für echte Circularity müssten die Produkte an sich technisch anders aufgebaut sein, Refurbishment besser zulassen und langfristig müssen sich die Geschäftsmodelle der Anbieter ändern. Es muss Sinn ergeben, Produkte herzustellen, die möglichst lange halten oder wiederverwendet werden können. So, dass die Produzenten selbst anfangen, in Circularity zu denken oder Unternehmen wie Circulee als Vorreiter ganz tief und partnerschaftlich in ihr Geschäftsmodell zu integrieren.
Thomas Gros: Herzlichen Dank für den interessanten Austausch, lieber Moritz. Bis ganz bald!

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