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Kreislaufwirtschaft im BDI - Ein Gespräch mit Dr. Claas Oehlmaan

Veröffentlicht am 10. Feb. 20247 min Lesezeit
Dr. Claas Oehlmann, Geschäftsführer der BDI-Initiative Circular Economy

Dr. Claas Oehlmann, Geschäftsführer der BDI-Initiative Circular Economy

Heute unterhalten wir uns mit Dr. Claas Oehlmaan, Geschäftsführer der BDI-Initiative Circular Economy (Bundesverband der Deutschen Industrie E.V). Er ist mit fast 15 Jahren akademischer und beruflicher Erfahrung ein ausgewiesener Experte im Bereich der Kreislaufwirtschaft. Dr. Claas Oehlmaan hat maßgeblich dazu beigetragen, die Circular Economy Initiative vom BDI voranzutreiben, die nachhaltige Praktiken in der Industrie in Deutschland und Europa fördert. Im Interview teilt er faszinierende Einblicke in das Engagement vom BDI, die Herausforderungen der Industrie und die bedeutende Rolle von Kreislaufwirtschaft bei globalen Themen.
Thomas Gros (CEO bei circulee): Wie genau verfolgt der BDI mit seiner Circular Economy Initiative das Ziel, eine Kreislaufwirtschaft zu schaffen?
Dr. Claas Oehlmaan (Geschäftsführer der BDI-Initiative Circular Economy): Der BDI widmet sich schon seit Jahrzehnten den Themen Rohstoffpolitik, Klima- und Energie, Außenhandel, Umweltpolitik etc. In diesem Rahmen gab es natürlich auch immer Befassungen mit dem Thema Abfall und dem Umgang damit, sei es als Ressource, Energieträger oder als zu beseitigender Strom mit Umweltrisiken. Mit der BDI-Initiative “Circular Economy” haben wir nun aber seit 2021 eine Plattform geschaffen, die sich gänzlich der zirkulären Wertschöpfung am Industriestandort Deutschland in Europa verschrieben hat. Wir sind ein offenes Netzwerk für Verbände, Unternehmen, Start-Ups und Wissenschaftsorganisationen, in der erst einmal alle zur Mitarbeit eingeladen sind, die unsere Mission teilen. Unsere mittlerweile über 60 Mitglieder aus zahlreichen Branchen haben dabei das gemeinsame Ziel, mit dem BDI gemeinsam eine nachhaltige Zukunft zu gestalten.
Dabei geht es um regulatorische Rahmenbedingungen, Wissenstransfer und Kooperation sowie die Sichtbarkeit für die Bedeutung und vor allem die Chancen, die im zirkulären Wirtschaften liegen. Ganz am Ende ist die Circular Economy aber natürlich kein Selbstzweck. Wir wollen, dass unsere Industrie durch Zirkularität gestärkt wird. Sei es durch neue Geschäftsmodelle, Technologien, mehr Versorgungssicherheit mit Rohstoffen oder einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Konkret arbeiten wir dazu in drei Projektgruppen: Rohstoffe und Services (1), Technologie, Digitalisierung und Standardisierung (2) und Klimaschutz (3).
Thomas Gros: Was treibt Sie ganz persönlich an, ein solches ambitioniertes Ziel zu verfolgen?
Dr. Claas Oehlmaan: Ich befasse mich beruflich und wissenschaftlich seit bald 15 Jahren mit der Kreislaufwirtschaft. Meine Motivation dabei war immer klar: Wir brauchen positive Antworten, in unserer Art der Wertschöpfung, auf die Herausforderungen im globalen Wettbewerb. Es geht also darum, einen Wirtschaftsstandort zu entwickeln, der in der Welt ein Vorbild ist, erfolgreich sein kann und mit den ökologischen Belastungsgrenzen des Planeten klarkommt. Wir wollen ja erfolgreiche Produktion, Produkte und Dienstleistungen hier vor Ort, denn nur dann können wir auch etwas für Europa gestalten. Wenn wir nur noch importieren, werden andere die Innovationen vorantreiben. Mein Antrieb kommt also maßgeblich aus der Überzeugung, dass Nachhaltigkeit kein leeres Füllwort sein darf, sondern Gestaltung und Überzeugung braucht.
Thomas Gros: In welchen Industrien sehen Sie eine besonders schnelle Entwicklung, bzw. welche Segmente sind vielversprechend und warum?
Dr. Claas Oehlmaan: Wir sind eine sektorübergreifende Plattform und repräsentieren auch viele Akteure aus der Grundstoffindustrie. Die Produkte, die dort erzeugt werden, gelangen natürlich in unzählige verschiedene Sektoren. Jedes Material, von Kunststoff über Stahl, Metall, Glas, Papier, Holz, etc., hat seine spezifischen Vorteile, aber auch seine Herausforderungen bei der Kreislaufführung. Ich glaube, dass wir aktuell vor allem die Bereiche in den Blick nehmen müssen, in denen wir durch hohe Absatzzahlen oder hohen Zubau Gestaltungsmöglichkeiten haben. Das ist natürlich der ganze Infrastrukturbau, die Installation von Anlagen für erneuerbare Energien, die Elektrifizierung der Mobilität oder die Digitalisierung von Anlagen, Prozessen und Produkten. Hier müssen wir den Kreislauf möglichst von Anfang an mitdenken. Sonst werden wir uns in 1, 20, 30 Jahren wieder fragen, warum wir nur Produkte/Materialien zurückbekommen, für die wir keine guten Strategien für die Wiederverwendung bzw. Verwertung haben. Daneben gibt es natürlich Dauerbrenner wie die Kreislaufwirtschaft für Verpackungen. Das ist und bleibt ein Thema.
Thomas Gros: Welche Industriezweige hinken dabei hinterher und weshalb?
Dr. Claas Oehlmaan: Auch hier ist die Sache komplexer, wie immer, wenn in Kreisläufen gedacht wird. Wenn zum Beispiel ein Produkt bestimmte Sicherheitsanforderungen zum Brandschutz, zur Festigkeit oder zur Beständigkeit erfüllen muss, wird das Material so entwickelt, dass die Anforderungen erfüllt werden. Dabei kann es natürlich sein, dass die Wiederverwendbarkeit oder die Recyclingfähigkeit "geopfert" werden muss, damit das Produkt zum einen überhaupt eine Marktzulassung bekommt und zum anderen auch sicher funktioniert. Was erwächst aber für eine Aufgabe aus dieser Erkenntnis? Wir müssen Produkt-, Stoff- und Abfallrecht so aufeinander abstimmen, dass Produkte sich auch in Kreisläufen durch die verschiedenen Anforderungen bewegen können. Man könnte auch sagen, dass die Regeln für den zirkulären Binnenmarkt erwachsen werden müssen und wir eine harmonisierte Basis für zirkuläre Produkte brauchen. Die EU-Kommission hat damit ja im “Green Deal” begonnen. Jetzt trifft aber Umwelt- auf Produktrecht. Das heißt, die Kommission möchte gern mit einer dreistelligen Zahl an Delegierten- und Durchführungsrechtsakten unter Batterie-, Ökodesign- oder Verpackungs-Verordnung die technischen Details lösen. Bisher wurden solche Dinge oft über harmonisierte Normen festgelegt. Es treffen zwei regulatorische Welten aufeinander. Das müssen wir auflösen, damit der Binnenmarkt die zirkuläre Wertschöpfung voranbringen kann.
Thomas Gros: Welche Herausforderungen sehen Sie für Europa im Kampf gegen den Klimawandel und die Ressourcenknappheit?
Dr. Claas Oehlmaan: Das sind natürlich beides zentrale Aufgaben für die nächsten Dekaden, und sie sind eng miteinander verbunden. Wir brauchen erhebliche Mengen bestimmter Ressourcen, um unsere Energieversorgung auf erneuerbar umzustellen, die Mobilitätsinfrastruktur zu transformieren und um unsere Industrieprozesse so weit wie möglich treibhausgasneutral zu bekommen. Parallel wollen wir unseren Wirtschaftsstandort defossilisieren. Was heißt das für die zirkuläre Wertschöpfung?
Wir müssen noch viel mehr wiederverwenden und recyceln, da haben wir noch Potenziale. Auch nachwachsende Rohstoffe und CCU (Carbon Capture and Utilization)werden eine Rolle spielen müssen. Zirkuläre Maßnahmen müssen im Unternehmen dann aber auch messbar sein und Eingang in die Unternehmensstrategie und die Berichterstattung finden. Idealerweise haben Unternehmen auch klimabilanziell etwas davon, wenn sie Maßnahmen im Bereich der Zirkularität umsetzen. Da geht es dann viel um Messbarkeit, Standardisierung und Scope 3. Da müssen wir ran, damit sich beide Bereiche verbinden.
Digitale Lösungen müssen da auch helfen, damit wir die Daten überhaupt handhabbar erheben und verarbeiten können. Es ist ja immer ein kleines Paradoxon: Wir brauchen mehr Daten, um bessere Entscheidungen treffen zu können und auch empirische Strategien zu fahren. Andererseits wollen viele Akteure gerade weniger Berichtspflichten und Datenaufwand. Aus dieser Falle müssen wir heraus, damit alle mitziehen können.
Als Initiative versuchen wir, Ressourcenschonung, Klimaschutz und Zirkularität auch auf den großen Konferenzen der Industrie zusammen zu bringen. Zum Beispiel beim BDI-Klimakongress oder beim BDI-Rohstoffkongress sind wir mit unseren Mitgliedern präsent und gestalten das Programm mit.
Thomas Gros: Was würden Sie uns, dem Circular Team, mitgeben für den Kampf gegen Elektroschrott?
Dr. Claas Oehlmaan: Genau die Mission weiterzuverfolgen, die Sie begonnen haben. Wir müssen einen besseren Umgang mit unseren so wichtigen und werthaltigen Geräten finden, die wir alle jeden Tag nutzen: Lebensdauer, Qualität bei der Aufbereitung, Logistik, Sammlung, Optionen für die Weiternutzung und das hochwertige Recycling. Das sind die Herausforderungen. Das Ziel, dass sich dabei in der Breite auch tragfähige Geschäftsmodelle bauen lassen, ist aus meiner Perspektive genau das Richtige.
Im Gespräch mit Dr. Claas Oehlmaan wird deutlich, dass die Anwendung nachhaltiger Praktiken und die Initiativen zur Kreislaufwirtschaft erhebliche Auswirkungen auf Industrie und Umwelt haben. Der BDI verpflichtet sich, eine kreislauforientierte Zukunft durch klare Regelungen und den Austausch von Wissen zu gestalten. Dieses Handeln unterstreicht das Engagement für transformative Veränderungen.
Dr. Claas Oehlmaan inspiriert uns mit seinem Aufruf, indem er uns dazu ermutigt, u.a. Elektroschrott nachhaltiger zu handhaben und tragfähige Geschäftsmodelle im Rahmen der Kreislaufwirtschaft zu entwickeln.
Wir verstehen dieses Interview als Wegweiser, in eine umweltbewusstere und widerstandsfähigere Zukunft.