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Thomas Heine über nachhaltige Beschaffung und deren Herausforderungen

Veröffentlicht am 8. Mai 2024
Thomas Heine, Herausgeber des Magazins für nachhaltige Beschaffung „Kleine Kniffe“ und CEO SDG media GmbH

Thomas Heine, Herausgeber des Magazins für nachhaltige Beschaffung „Kleine Kniffe“ und CEO SDG media GmbH

Als führender Anbieter von Green IT und überzeugter Wegbereiter für nachhaltige Geschäftsmodelle und Kreislaufwirtschaft, laden wir richtungsweisende Unternehmen und Persönlichkeiten ein, sich mit uns zum Thema Innovation und Strategien zur Nachhaltigkeit auszutauschen. Wir möchten damit der nachhaltigen Wirtschaft und klimafreundlichen Initiativen eine Stimme verleihen und nach Nachhaltigkeit strebenden Unternehmen eine Inspirationsplattform bieten.
Im Interview: Thomas Heine ist Geschäftsführer der SDG media GmbH und Herausgeber des Magazins für nachhaltige Beschaffung "Kleine Kniffe" und des Podcast „Procurement Pioneer“.    Ehrenamtlich setzt er sich für eine nachhaltige Beschaffung als Co-Chair von SPP Chapter Germany und als Initiator der Aktion „Aktiv für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung“ ein.  
In seiner Arbeit entwickelt er Plattformen zum Erfahrungsaustausch, zur Präsentation und zur Reflexion über nachhaltige Beschaffung. 
Thomas Gros (CEO circulee):  Thomas, was verfolgst Du mit dem Magazin für nachhaltige Beschaffung „Kleine Kniffe“ und was treibt Dich eigentlich persönlich an? 
Thomas Heine (Herausgeber des Magazins für nachhaltige Beschaffung „Kleine Kniffe“ und CEO SDG media GmbH): Das Magazin und seine Kommunikationskanäle haben in Deutschland das Alleinstellungsmerkmal, sich speziell mit Fragen der nachhaltigen Transformation im Einkauf zu beschäftigen. Lange Zeit war der Einkauf eine rein funktionale Abteilung in Unternehmen und Behörden, die als Dienstleister und Kostenoptimierer das einzukaufen hatten, was die einzelnen Bedarfsträger benötigen.  Egal ob Kugelschreiber, Ersatzteile oder ganze Betriebsstätten: der Einkauf muss „just in time“ zu möglichst günstigen Konditionen die Waren besorgen. Diese Positionierung des Einkaufs entspricht nicht mehr den Gegebenheiten: Pandemien, unsichere Transportwege, gesetzliche Vorgaben, Kriege und der Klimawandel betreffen den Einkauf hautnah. Immer mehr kommt es auf die im Einkauf arbeitenden Menschen an, dass ein Unternehmen oder eine öffentliche Einrichtung Wege findet, sich diesen Herausforderungen erfolgreich zu stellen und Lösungen zu finden. Das Berufsbild wandelt sich also von dem eines Erfüllungsgehilfen hin zu einer strategisch ausgerichteten Position, die an vorderster Front verantwortlich ist für eine erfolgreiche, nachhaltige und digitale Transformation des Unternehmens und damit für dessen Zukunftsfähigkeit. In einer so bahnbrechenden Transformation gibt es keine vorgezeichneten Wege. Ein „weiter so“ führt ins Abseits, neue Wege sind mit vielen Unsicherheiten gepflastert. In einer solchen Situation benötigen die handelnden Personen verlässliche und seriöse Informationen, die dabei helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Mit dem Magazin und seinen Kommunikationskanälen trage ich dazu bei, diese Informationen für Menschen bereitzustellen, die in Einkaufsabteilungen und Beschaffungsstellen jeden Tag mit den Herausforderungen der Twin Transformation konfrontiert sind und Lösungen entwickeln müssen. 
 
Thomas Gros: Was treibt dich persönlich an, ein solches Projekt zu verfolgen? Wie bist Du dazu gekommen? 
Thomas Heine: Ich bin Unternehmer und komme aus dem Ruhrgebiet. Transformation ist deshalb seit über vierzig Jahren ein steter Begleiter meines beruflichen und privaten Lebens. Die Sinne sind gegenüber Themen der Zukunft geschärft. Diese Aufgeschlossenheit im Geist führt beim Unternehmer zur Frage, wie man aus Fragen der Zukunft Produkte ableiten kann, für die in der Zukunft eine Nachfrage bestehen wird. Seit 2005 war ich in der Wissenschaftskommunikation beheimatet und habe im Jahr 2009 im Auftrag der Max-Planck-Gesellschaft den Wissenschaftszug im Marketing unterstützt. Spätestens seit dieser Zeit habe ich in der UN Dekade BNE Projekte entwickelt, die dazu beigetragen haben, das Wissen über Bildung für nachhaltige Entwicklung in die Breite zu tragen. Mein größtes Projekt mit 133 Volkshochschulen in NRW wurde von der UNESCO ausgezeichnet. Und das Wissen rund um die Digitalisierung habe ich spätestens seit 1999 mit meinem Produkt „Internet Führerschein“, den ich 5 Millionen Mal in Deutschland verkauft habe, und in Bildungskampagnen mit 1.000 Volkshochschulen in Deutschland zu Themen der Internet-Nutzung in die Breite getragen. Vertieftes Wissen durch Projekt- und Produktentwicklungen zu den Themen der Digitalisierung und Nachhaltigkeit haben mich dann zu der Marktlücke der Kommunikation über die Bedingungen einer Transformation hin zu einem nachhaltigen Einkauf geführt. Und auf wunderbarerweise verbinden sich in diesem Thema mein Wissen und meine Erfahrungen in den Themen der Digitalisierung und Nachhaltigkeit, die heute im Begriff der Twin Transformation verbunden werden. 
 
Thomas Gros: Welche Rolle spielen Klimawandel, Nachhaltigkeit und Digitalisierung in deiner täglichen Arbeit? 
Thomas Heine: Täglich bin ich zum Ausgleich zur Arbeit über drei Stunden „draußen“. Ich fahre mit dem Rad, gehe spazieren und schwimme im Freibad. Dabei erlebe ich den Klimawandel, weil sich Dürre breit macht oder Felder überschwemmt sind, weil Insekten weniger werden, weil sich die Erfahrungen in den Jahreszeiten seit meiner Kindheit verändert haben. Diese unmittelbaren Erfahrungen treiben mich an, nach Ursachen, Wirkungen und Möglichkeiten des Gegensteuerns zu suchen. Die Suche ist nicht einfach, weil sich Meldungen der Lobbyverbände, die im Sinne der Öl- und Gasindustrie beeinflussen wollen, kreuzen mit vertiefenden Informationen aus investigativem Journalismus und aus Wissenschaft und Forschung. Dabei sind der Klimawandel und seine Akteure weltweit unterwegs, weshalb ich mein Radar dementsprechend auch aufstellen muss. Nachhaltigkeit ist ein ebenso anspruchsvolles Thema, weil sich eine offensichtlich richtige Vermutung, später auch zu ihrem Gegenteil entpuppen kann. So habe ich immer vermutet, dass ein Apfel, der in Deutschland angebaut wurde und im April auf meinen Teller kommt, nachhaltigen Konsum verspricht im Vergleich zum Apfel aus Südafrika, der per Flugzeug geliefert wird. Das ist falsch, wenn man den CO2-Ausstoss vergleichend berechnet, den ein Apfel im Kühlhaus verursacht und ein Apfel, der aus Südafrika nach Deutschland transportiert wird. Der CO2-Ausstoss im Kühlhaus ist höher als der über den Transport verursachten. Und Digitalisierung ist für mich ein Zauberwort geworden. Seitdem ich alle meine Magazine nur noch digital verbreite, habe ich einen Reichweitengewinn vom 16fachen im Vergleich zur Printausgabe. Digitalisierung ermöglicht mir, jetzt nicht nur halbjährlich meine Magazine zu veröffentlichen, sondern ab sofort auch vierteljährlich Special Interest Magazine zur nachhaltigen Beschaffung in den Warengruppen herauszubringen und diese mit Podcast-Produktionen zu verstärken. Zugleich gewinnen die Tools der Künstlichen Intelligenz immer mehr Raum in der täglichen Arbeit. Zusammengefasst erlaubt mir Digitalisierung eine wesentlich höhere Frequenz des Outputs von Themen des nachhaltigen Einkaufs, was natürlich auch zu einer immer stärkeren Sensibilisierung gegenüber diesem Thema führt. 
Thomas Gros: Was stimmt dich hoffnungsvoll, wenn Du an die Entwicklungen rund um „Beschaffung und Nachhaltigkeit“ denkst? Welche Trends besorgen dich? 
Thomas Heine: Als ich vor sieben Jahren begonnen habe, mich mit dem Thema nachhaltiger Einkauf zu beschäftigen, habe ich eine fast ideologische Debatte um die Sinnhaftigkeit und die Zielrichtung vorgefunden. Diese Zeiten sind vorbei. Heute sind weltweit Organisationen aus Wirtschaft und Politik damit beschäftigt, dem Klimawandel durch CO₂-Minderung entgegenzutreten. Politische Klimaziele wie die von Paris erhalten nun Unterstützung durch Bewegungen der Industrie und ihrer Beschaffungsverantwortlichen wie das Sustainable Procurement Pledge (SPP) oder SustainableIT.org und viele andere nationale und internationale Bündnisse und Initiativen. Richtungsweisend sind heute Antworten auf die Fragen des „Wie“ und nicht mehr die Verhinderung von Bewegung durch die Frage des „Ob“. Ich nehme einen wesentlich höheren Veränderungswillen in der Industrie im Vergleich zur öffentlichen Hand war, die doch durch ihr Beschaffungsvolumen von jährlich ca. 500 Mrd. Euro allein in Deutschland, Märkte in die richtige Richtung verschieben könnten. Hier muss man nachsteuern, weshalb ich zusammen mit Professor Bogaschewsky auch die Initiative „Aktiv für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung“ vor 18 Monaten ins Leben gerufen habe. 
 
Thomas Gros:  Was würdest Du uns, dem circulee Team, mitgeben für den Kampf gegen Elektroschrott?  
Thomas Heine: Es kann nicht sein, dass innerhalb von zehn Jahren die Menge der neu gekauften Elektrogeräte in Deutschland um 56 Prozent stieg. In Tonnen gerechnet lag sie im Jahr 2019 bei knapp 2,6 Millionen. In der Folge fallen etwa 1,8 Millionen Tonnen Elektroschrott pro Jahr an. Fatal daran: Nicht einmal 45 Prozent des Elektroschrotts wird korrekt gesammelt, ein Großteil wird illegal entsorgt oder exportiert. Dazu kommt, dass nicht mal ein Prozent der gesammelten Altgeräte für eine erneute Verwendung aufbereitet wird. Deshalb meine Anregung: Dranbleiben, Bündnisse schmieden und die Schlagzahl erhöhen.